Zuerst kommt die Moral. Und danach nicht mehr sehr viel. Vor allem ganz wenig Sinn. Dieses Resümee lässt sich zu vielen Postings auf Social Media-Plattformen ziehen. Immer wieder tauchen dort scheinbare Lebensweisheiten auf – mal einfach so dahingeschrieben, mal in einen liebevoll gestalteten Rahmen platziert. Solche Sprüche gefallen den PosterInnen und vermeintlich auch den anderen UserInnen.
Klingt alles so nett. Wirkt so wunderbar. Positiv. Fröhlich. Soll uns aufbauen. Durch den Tag, das Leben begleiten. Lassen sich rasch hinschreiben. Und wirken auch noch klug. Wenn auch meist nicht der eigenen Gedankenwelt entsprungen. Eingängige Formulierungen, die sich auf den Sinn des Lebens, den Lebensweg und seine Stationen, seine Sorgen und Alltagsprobleme, das richtige Verhalten im Leben, die Bewältigung seiner Mühen und Hürden beziehen. Kurze Tipps und rasche Ratschläge zu Prüfungen, Liebeskummer, erfüllenden Beziehungen, Hochzeit, beruflichem Erfolg, schwierigen Tagen, Krankheitsfällen, Trauer und ähnlichem mehr. Sie schmeicheln unserer Seele und tragen vielleicht auch noch dazu bei, sich besser zu fühlen. Trost und Segen für jede Lebenslage.
Tiefgreifende Weisheiten verbergen sich hinter solchen Sprachformlen meist nicht. Aber sie passen zu unserem Harmoniebedürfnis und kommen uns vertraut vor. Genau, Kalender- und Sinnsprüche. Vieltausendfach und in den unterschiedlichsten Formen tradiert. Die Älteren unter uns kennen vielleicht noch Stammbücher. Auch Erbauungsbüchlein gab es einmal. Sinnsprüche auf Lesezeichen gedruckt, auf Glückwunschkarten aller Art. Auf Marterln am Wegesrand zu lesen. Sogar auf Kassenbons und Toilettenpapier sind die zu finden.
Derartige Weisheiten mögen auf den Tratsch-und-Klatsch-Plattformen wie Facebook, Instagram und anderen ihre Daseinsberechtigung haben. Dort passt auch ihr vielfach gönnerhafter Charakter, das leicht Anbiedernde, Oberlehrerhafte, ihr Übermaß an Moralin.
Doch auf Business-Plattformen wie Linkedin, Xing und anderen, in Foren, die dem fachlichen Austausch dienen, haben sie nichts verloren. Dort sind derartige Postings nichts anderes als eine Belästigung und Zeitdiebstahl, wirken ein bisschen moralinsauer.
Lassen Sie ganz einfach das Moralisieren, verzichten Sie auf digitale Kalenderweisheiten.