Es ist eines der größten Ärgernisse in unserer modernen Servicegesellschaft: Wer eine Hotline wählt, hängt meist viele Minuten lang in der Warteschleife, muss sich ebenso lange von einem üblicherweise nicht sonderlich originellen Musikstück oder gar einem sich monoton wiederholendem Sprüchlein berieseln lassen. Der Ärger steigt zum Quadrat der Wartezeit, multipliziert mit der Schulnote für die abnehmende Service-Qualität.
Wohl all jenen Hotline-Geplagten, denen auf der Website eines Unternehmens neben der (kostenfreien) Service-Nummer auch noch ein Bot entgegenlacht – was sich bei zumindest größeren Firmen immer mehr zum Standard zu entwickeln scheint. Diese digitalisierten Sabines und Roberts treten immer öfter als freundliche und erfreuliche Personalreserve, als kompetente MitarbeiterInnen, als kundenfreundliches Aushängeschild in Erscheinung. Vor allem aber werden sie immer leistungsfähiger.
Der Bot ist schneller als jede®-Hotline-AgentIn. Vor allem im First-Level-Support scheinen sie mittlerweile eine Service-Anfrage besser zu erkennen, zielgenauer zu bearbeiten als ihre menschlichen KollegInnen. Auch das Weiterleiten zu einer fachkundigen Expertin oder einem Experten läuft durch einen Bot in vielen Fällen mindestens genauso problemlos wie durch einen Menschen am anderen Ende der Leitung. Aufgaben, die auf diesem Level von Bots übernommen werden, stellen üblicherweise keine große Herausforderung dar und können daher auch von den Maschinen sehr viel schneller als von Menschen erledigt werden.
Bots sparen so nicht nur Ärger, sondern vor allem Zeit und Geld. Das gilt sowohl auf Unternehmens- als auch auf Kundenseite. Abgesehen davon, fällt auf Verbraucherseite gegenüber Bots zudem eine gewisse Hemmschwelle weg. Denn die KundInnen empfinden gegenüber einem Bot keine Angst, sich durch ihre Unwissenheit oder eine „dumme“ Frage zu blamieren. Auch die Gefahr, mit einem Anliegen abgewimmelt zu werden, besteht nicht wirklich. Zudem ist ein Bot rund um die Uhr und das an sieben Tagen in der Woche verfüg- und damit ansprechbar.
Doch Leistungsfähigkeit der Bots wächst kontinuierlich, beinahe schlagartig. Nur ein Beispiel von vielen: Bei Online-Meinungsumfragen setzen einzelne Institute und Organisationen mittlerweile ebenfalls Chatbots ein. Die Fragen werden den ProbandInnen nicht mehr anonym in einer fixen Reihenfolge gestellt, vielmehr reagiert ein Chatbot auf die jeweiligen Antworten. Diese Bots treten mit der oder dem Befragten in einen scheinbaren Dialog, gehen vermeintlich auf die Antworten, gerade bei offenen Fragen auch auf schriftlich formuliert Aussagen ein. Zwischen den Studienteilnehmern und dem Bot entsteht so mitunter sogar eine Art „Vertrauensverhältnis“. Eine nicht zu unterschätzende Folge: Die Antworten in einem solch „interaktiven Gespräch“ fallen umfangreicher und ehrlich aus.
KI-geschulte Bots übernehmen vom automatisierten Kundenservice über die Simulation menschlicher Kommunikation bis hin zur Unterstützung bei der Online-Suche und ähnlichem immer mehr standardisierte und automatisierten Aufgaben. Die „Unterhaltungen“ mit Bots werden dabei vielfach als entspannt und mitunter sogar als „persönlich“ eingestuft. Der Bot, unser Freund.
Dieser Kommentar ist der zweite Teil einer kleinen Serie. Das Gegenstück findet sich hier: Der Bot, mein Feind.