Die Sache weist eine gewisse Pikanterie auf: Mit der Headline „Weltweit erstes ‚KI-Selbstporträt‘: Hiscox sensibilisiert mit Kunstprojekt für ethische Standards bei KI und Kunst“ über einer Pressemeldung will der internationale Spezialversicherer, mit Hauptsitz auf den Bermudas und an der London Stock Exchange gelistet, auf ethische Probleme rund um die Künstliche Intelligenz, vor allem das Copyright auf Kunstwerke aufmerksam machen.
Es wirkt zumindest ein bisschen doppelbödig, wenn für ein derartiges Anliegen, das durchaus berechtigt ist, selbst KI eingesetzt wird. Denn als Eyecatcher für die Aktion wählt das Unternehmen ein stilisiertes Porträt, das von einer KI aus den Selbstporträts von 40 beteiligten Künstlerinnen und Künstlern generiert sowie im Stil eines traditionellen Ölgemäldes erstellt wurde. Geschaffen wurde das „Gemälde“ von einem von John W. Miller entwickelten Programm namens Facer über die KI-Plattform Tess. „Es wurde erstellt, um die ethischen Dilemmata im Zusammenhang mit KI-generierter Kunst hervorzuheben. Dazu zählt insbesondere die finanzielle Entschädigung von Kunstschaffenden, deren Kunst z.B. zu KI-Trainingszwecken oder Ähnlichem verwendet wird“, heißt es dazu von Hiscox. Das Unternehmen betont dann auch, dass alle beteiligten Künstlerinnen und Künstler für ihre Arbeit entlohnt wurden.
Die Aktion wirkt ein bisschen, also wollte da jemand dem gerade über uns hinwegbrausenden KI-Tsunami einbremsen, indem er selbst ein leichtes Lüfterl entfacht, das in die Gegenrichtung bläst. Zumal auch nicht wirklich dargelegt wird, wie und wo das „KI-Selbstporträt“ eingesetzt werden soll, wo es zu sehen sein wird. Die Bildrechte liegen jedenfalls bei Hiscox.
Es drängt sich insgesamt der Eindruck auf, dem Versicherungsunternehmen gehe es in erster Linie darum, aus der Aktion selbst Kapital zu schlagen und vor allem imagemäßig zu punkten, indem es das vermeintliche Kunstwerk als „weltweit erstes KI-Selbstporträt” anpreist und so auf den KI-Zug aufspringt. Vor allem aber auch, weil die Versicherer damit ihren eigenen „Art and AI Report“ verknüpfen und diesen bewerben. Dieses schon im September präsentierte Werke wird wiederum folgengendermaßen angekündigt: „Die Zukunft der Kunst verändert sich, da KI-generierte Kunst bei Sammlern und Liebhabern immer mehr Aufmerksamkeit erregt.“ Demnach sollen die KI-generierten Kunstverkäufe massiv zunehmen. Weiter: „Während einige Sammler begierig darauf sind, dieses neue Terrain zu erkunden, bleiben Traditionalisten skeptisch.“
Schreibt sich da ein Unternehmen gerade den eigenen Markt herbei oder will gar den Wert einer eigenen Sammlung hochlizitieren? Sagen wir einmal so: Es gilt die Unschuldsvermutung. Doch Hiscox fragt in Zusammenhang mit seinem Report auch: „Erleben wir den Beginn einer harmonischen Zukunft für Kunst und KI?“
Mal sehen.
Hier gibt es den Art and AI-Report.