Ein Spruch des Verwaltungsgerichtshofs (VfGH) scheint wenig zu zählen, wenn es um die Besetzung der ORF-Gremien geht. Der VfGH hatte im Oktober 2023 die Bestellung von ORF- Stiftungsrat und ORF-Publikumsrat für verfassungswidrig erklärt und eine Entpolitisierung der Gremien gefordert. Vor allem beanstandete er, dass die Bundesregierung mehr Mitglieder in den Stiftungsrat entsenden darf als der Publikumsrat. Mit März dieses Jahres hat die neue Dreierkoalition daher das ORF-Gesetz entsprechend angepasst und die Besetzung der beiden ORF-Kontrollorgane neu geregelt.
An der politik- und parteimotivierten Besetzung der ORF-Räte hat sich dennoch nichts geändert, wie der Rückzug der beiden bereits bestellten Rätinnen Gertrude Aubauer und Beatrix Karl nun zeigt. Das ist nicht nur peinlich, sondern führt auch alle Beteuerungen der Politik, Stiftungs- und Publikumsrat würden unabhängig besetzt, ad absurdum.
Eines vorweg. Eine Schuldzuweisung oder gar Häme gegenüber Gertrude Aubauer ist ebenso wenig angebracht wie gegenüber Beatrix Karl. Sie trifft keine direkte Schuld an der Malaise. Aubauer hätte aufgrund ihrer ORF-Vergangenheit sogar das – ebenfalls vom VfGH verstärkt eingeforderte – Medienfachwissen für den Stiftungsrat mitgebracht. Die Verantwortung trägt das System der Räte-Bestellung und es zeigt sich einmal mehr, wie österreichische Medienpolitik funktioniert.
Die ehemalige Justiz- und Wissenschaftsministerin Karl (ÖVP) sollte auf Vorschlag der Rektorinnen- und Rektorenkonferenz der österreichischen Pädagogischen Hochschulen in den Publikumsrat einziehen. Aubauer, frühere ORF-Journalistin und Ex-ÖVP-Abgeordnete, wurde vom Seniorenbund für den Publikumsrat nominiert und sollte das Publikumsgremium auch im Stiftungsrat vertreten. Beide Damen wurden auf Basis dieser Vorschläge letztendlich von der Bundesregierung in den Publikumsrat entsandt. Wegen Unvereinbarkeit wird aus ihren Bestellungen nichts. Aubauer ist stellvertretende Obfrau der ÖVP-Senioren, Karl stellvertretende Landesvorsitzende der ÖVP-Teilorganisation ÖAAB. Politische Ämter sind mit einem Mandat in den ORF-Gremien aber nicht vereinbar. Beide Nominierte zogen ihr Mandat zurück.
Insgesamt zeigt sich, wie eng die Besetzung der beiden ORF-Gremien noch immer an die Politik und vor allem die Parteien gebunden sind. Medienpolitik, insbesondere wenn sie dem ORF gilt, ist in diesem Land noch immer großteils Parteipolitik. An Interessen(sgruppen) orientiert und nicht an Inhalten und sachlichen Notwendigkeiten. Der Rückzug von Aubauer und Karl aus dem Publikumssrat, nur rund eine Woche nach dessen konstituierender Sitzung, ist hochnotpeinlich.
Eine Spur blamabler erscheint da nur die Tatsache, dass das ursprünglich Aubauer zugedachte Mandat im ORF-Stiftungsrat nun nicht mit dessen konstituierender Sitzung am 17. Juni, sondern erst bei dessen nächster Session im September besetzt werden kann.
Einmal mehr erweisen sich parteistrategische ORF-Besetzungen als beschämend und hinterfragungswürdig. Aber weder die Regierungs- noch die Parteienvertreter sehen das vermutlich so.