Der Fachkräftemangel hat Geschäftsführungen und HR-Abteilungen die vergangenen 15 Jahre auf Trab gehalten – Employer Branding entwickelte sich so zu einem wichtigen strategischen Arbeitsfeld. Das Thema Employer Branding hatte vor der Corona-Krise einen Stellenwert von 66 Prozent – und ist in der Krise nur um drei Prozentpunkte auf 63 Prozent gesunken. 77 Prozent der Unternehmen verhalten sich auch in der Krise wie attraktive Arbeitgeber. Nur acht Prozent haben ihre Employer-Branding-Maßnahmen völlig gestoppt, 42 Prozent geben eine Reduktion der Aktivitäten an. Dem gegenüber setzen 15 Prozent jetzt sogar noch mehr Maßnahmen als vor Ausbruch der Pandemie. Dies geht aus der Umfrage von identifire und StepStone unter 360 Führungskräften und HR-Verantwortlichen im Mai 2020 hervor. „Die Studie entstand nun aus einer einfachen Überlegung heraus: Wie verschieben sich Prioritäten und Wertesysteme, wenn es um das individuelle und betriebliche Überleben geht?“, erläutert Karin Krobath, Partnerin der Employer-Branding-Agentur identifire. „Es sind besonders die mittelgroßen Unternehmen, die die Krise nutzen. Sie investieren jetzt bewusst in Employer Branding und sichern sich so einen Wettbewerbsvorteil im ‚War for Talents‘”, geht StepStone-Studienleiterin Barbara Oberrauter-Zabransky, auf die Studienergebnisse ein.
Unternehmenskultur oder Jobsicherheit – was entscheidet?
Ausnahmesituationen wie die Corona-Krise haben in Sachen Glaubwürdigkeit enormes Potenzial. Der allgemeine Stresspegel zeigt ungeschminkt, ob Mitarbeitende wirklich das „höchste Gut“ sind. Ist man nun so „transparent“, „familiär“ oder „respektvoll“ wie auf der Karriere-Seite beschrieben? 73 Prozent der Teilnehmenden sagen: Ja, unsere Werte haben gehalten. Sie waren Richtschnur bei den Management-Entscheidungen. Nur 11 Prozent verneinen diese Frage. Anders sieht es auf der Bewerberseite aus: Die Übereinstimmung der eigenen Werte mit jenen des Unternehmens verliert an Bedeutung. Nur 15 Prozent der Befragten meinen, dass Werte-Fit – oder Cultural Fit – ein Top-3-Kriterium für die Jobentscheidung ist. Derzeit sind die Sicherheit des Arbeitsplatzes (58 Prozent), eine gute Arbeitsatmosphäre (52 Prozent) und flexible Arbeitszeiten (51 Prozent) entscheidungsrelevant.
Zusammenrücken in der Krise: das Aus für Silo-Denken
62 Prozent der Befragten geben an, dass die aktuelle Krise die eigene Unternehmenskultur eher gestärkt hat. Mitarbeitende denken bei dieser Frage mit 65 Prozent sogar noch positiver als Führungskräfte (60 Prozent) und das Top-Management mit nur 58 Prozent. Der Zusammenhalt ist generell stärker geworden, das Silo-Denken hat sich für alle reduziert. „Wie so oft lässt auch diese Krise die Menschen zusammenrücken. Das Ziehen an einem gemeinsamen Strang gibt Energie und Zuversicht“, erläutert Corporate Culture-Expertin Krobath.
Experiment geglückt: mehr Eigenverantwortung durch virtuelles Leadership
Schon vor der Krise waren Themen wie agiles Führen in aller Munde – oft mit dem Zusatz, dass das wohl bei anderen gehe, aber sicher nicht im eigenen Unternehmen. „Virtuelles und agiles Führen sind nicht dasselbe, dennoch besteht in der Praxis ein gewisser Zusammenhang. Wer remote führt, geht einen ersten Schritt in Richtung Eigenverantwortung und Empowerment von Teams und Personen“, sagt StepStone-Studienleiterin Oberrauter-Zabransky. Dieser erste Schritt ist vielversprechend, denn der Feldversuch des Remote-Führens läuft in den Augen der Befragten zu 84 Prozent (sehr) gut. Nur 2 Prozent behaupten, dass ihre Führungskräfte mit dieser plötzlichen Herausforderung schlecht zu Rande kommen.
Kürzere Entscheidungswege durch Corona: Infos sickern schneller durch
Ein weiterer Aspekt, den Mitarbeitende implizit mit Führungsstärke oder ‑schwäche verbinden, ist die Geschwindigkeit, mit der Entscheidungen fallen. Immerhin 54 Prozent der Befragten geben an, dass in ihrem Unternehmen die Entscheidungen in den letzten 6 Wochen schneller getroffen wurden als zuvor. „Offensichtlich hat sich die unternehmensinterne Durchlässigkeit vergrößert: Das, was ‚oben‘ besprochen wird, sickert schneller durch die Hierarchien“, interpretiert Krobath.
„This could have been an e‑mail”: Meetings endlich effizienter
Beim Thema Meeting-Effizienz werden allgemein mangelnder Output sowie Dauer und Frequenz beklagt. Corona sorgt hier aber in der Wahrnehmung der Befragten für einen Effizienzschub: 60 Prozent der Teilnehmenden geben an, dass Meetings nun deutlich effizienter ausfallen.
Hier geht’s zur Studie.