Wie hat die Digitalisierung Ihrer Meinung nach die Kommunikation verändert, insbesondere in Bezug auf Authentizität und Vertrauen?
Christoph Noitz: Die Digitalisierung hat die traditionellen Rollen von SenderIn und EmpfängerIn aufgebrochen – heute sind wir mit unseren Smartphones beides. Das hat die Kommunikation beschleunigt und vielfältiger gemacht, aber es gibt auch eine bedenkliche Entwicklung: die Vertrauenskrise gegenüber etablierten Medien. Während viele Informationen verfügbar sind, verstärkt die Digitalisierung die Verbreitung von Desinformation und Misstrauen. Es stellt sich die Frage, wie man in diesem Umfeld Authentizität und Vertrauen wahren kann, da auch authentisch wirkende Inhalte oftmals verschwörungstheoretische Inhalte oder Desinformation enthalten können.
Wie sichern Sie eine langfristige Wirkung der Kommunikationsstrategien in der schnelllebigen digitalen Medienlandschaft?
Noitz: Angesichts der vielen Trends und neuen Kanäle der letzten Jahre ist es entscheidend, sich bei jedem Hype die Frage zu stellen, ob er wirklich zur eigenen Marke passt. Oft gibt es die Tendenz, sofort auf jeden neuen Trend aufzuspringen, wie etwa bei TikTok. Aber nicht jeder Trend bringt Mehrwert oder erreicht die richtigen Zielgruppen. Wenn der Brand-Fit und die Strategie stimmen, kann man die Glaubwürdigkeit wahren. Ohne diese Überprüfung riskiert man jedoch, an Glaubwürdigkeit zu verlieren, indem man Trends ohne klaren Nutzen folgt.
In Ihrer Masterarbeit haben Sie sich mit politischer Kommunikation auf Social Media beschäftigt. Welche Rolle spielen Social Media und Microtargeting heute in der PR?
Noitz: Auch wenn wir bei currycom keine politische Kommunikation machen, verfolge ich das Thema weiterhin mit Interesse. Social Media bleibt in der politischen Kommunikation sehr relevant, wie jüngst beim österreichischen Nationalratswahlkampf. Was sich verändert hat, sind die Formate – statt klassischer Shareables dominieren jetzt kurze Videos. Auch Kanäle wie WhatsApp werden zur WählerInnenansprache genutzt. Vor allem bezahlte politische Anzeigen sind heute transparenter und stärker reguliert, etwa durch die Ad-Library von Meta, die Einblicke in Werbeausgaben bietet. Wie die hohe Anzahl an geschalteten Ads zeigt, bleibt Social Media dennoch ein beliebtes Tool in der politischen Kommunikation.
Welche ethischen Herausforderungen sehen Sie bei gezielter politischer Werbung?
Noitz: Ein großes Thema ist die Manipulation und Desinformation durch Halbwahrheiten, Frames und bewusste Irreführung, um Meinungen in bestimmten Bubbles zu stärken. Eine ethische Herausforderung ist, dass oft unklar bleibt, wer der/die AbsenderIn ist und wer dahintersteht. Dadurch entsteht die Gefahr bewusster Manipulation und Irreführung, was demokratiepolitisch bedenklich und ethisch höchst fragwürdig ist.
Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Wie stellen Sie sicher, dass die Botschaften einer Nachhaltigkeitskampagne bei den Zielgruppen ankommen und nicht als Greenwashing wahrgenommen werden?
Noitz: Nachhaltigkeitskommunikation ist oft herausfordernd, da viele Unternehmen darüber sprechen, ohne dass substanzielle Maßnahmen dahinterstehen, was Greenwashing-Risiken birgt. In der Nachhaltigkeitskommunikation ist es oft entscheidend, ein Problem klar zu benennen und eine konkrete Lösung anzubieten, unterstützt durch entsprechende Nachweise. Um der Wahrnehmung des Greenwashings entgegenzuwirken sind Zahlen und Fakten essenziell. Unternehmen müssen Maßnahmen klar belegen, um Vertrauen aufzubauen.
Technologie revolutioniert die Kommunikationslandschaft, besonders Künstliche Intelligenz. Wie beeinflusst KI die PR-Arbeit, und setzen Sie KI-gestützte Tools ein, um Kommunikationsstrategien zu optimieren? Wie wichtig bleibt dabei der menschliche Faktor?
Noitz: Das Thema KI ist allgegenwärtig und wird seit Jahren intensiv diskutiert. KI kann besonders bei routinemäßigen Aufgaben hilfreich sein, wie der Analyse großer Datenmengen, Medienresonanzanalysen oder beim Verfassen von Texten wie Pressemitteilungen und Briefings. Wir setzen KI-Tools ein – wichtig ist uns dabei vor allem, dass wir unsere KundInnen transparent darüber informieren, denn die Nutzung von KI sollte immer mit Offenheit und Klarheit erfolgen. Bei currycom verstehen wir uns vor allem als BeraterInnen. Während wir natürlich handwerkliche Aufgaben wie Eventmanagement und Pressearbeit übernehmen, liegt unser Schwerpunkt auf der Kundenberatung. KI kann effiziente Unterstützung bieten, besonders bei Routineaufgaben, aber das menschliche Element bleibt entscheidend, etwa in direkten Gesprächen mit KundInnen oder JournalistenInnen. Daher ist es wesentlich, eine Balance zwischen technologischer Effizienz und menschlicher Verantwortung zu finden.
Welche Entwicklungen werden die PR- und Kommunikationsbranche in den nächsten fünf Jahren prägen, und wie können Unternehmen und Agenturen sich darauf vorbereiten?
Noitz: In der Zukunft der PR und Medien sind drei Punkte entscheidend: Erstens sollten wir die Entwicklung der Medienwirksamkeit beobachten, insbesondere welchen Einfluss redaktionelle Berichterstattung zukünftig hat. Zweitens müssen sich PR-Agenturen an das veränderte Mediennutzungsverhalten anpassen und verschiedene Mediengattungen unterschiedlich bedienen. Drittens muss es im Interesse von PR-Agenturen sein, eine funktionierende Medienlandschaft zu fördern. Abnehmende Ressourcen für den Journalismus, wie die Kündigungen bei mehreren Tageszeitungen zuletzt zeigen, gefährden die Qualität und Vielfalt der Berichterstattung.
Internet World Austria berichtet in Zusammenarbeit mit dem Studiengang Marketing und Kommunikation der FH St. Pölten. Dieser Artikel wurde von Leonie Langschwert und Hannah Müllner verfasst.