Sie wurden nominiert, an den Innovation Lions im Rahmen der renommierten Cannes Lions, als Jurorin zu fungieren. Was ist Ihnen spontan durch den Kopf gegangen, als Sie davon erfahren haben?
Kaitlyn Chang: OMG! Juhu! Mama, schau mal! Ich habe die E‑Mail der Cannes Lions bekommen, als ich in Korea auf Urlaub war. Es war 2 Uhr morgens und ich war im Bett – und ich konnte die tolle Nachricht mit niemanden teilen! Alles, was ich tun konnte, war zu versuchen, nicht zu schreien und nur lautlos zu jubeln. Was jetzt – wo ich darüber nachdenke – ziemlich lustig ausgesehen haben muss.
Was verbinden Sie eigentlich persönlich mit den Cannes Lions?
Kaitlyn Chang: Die Cannes Lions waren für mich immer so eine Art heiliger Gral der Werbepreise und ich werde nie vergessen, wie ich mich damals gefühlt habe, als ich endlich als ein „normaler“ Teilnehmer die Cannes Lions besuchen konnte. Und jetzt als Jurymitglied nach Cannes zu fahren fühlt sich wie ein Kindheitstraum an, der gerade wahr geworden ist. Vor allem die Möglichkeit, die Innovation Lions zu jurieren, ist für mich etwas ganz Besonderes. Vor einigen Jahren hatte ich in diesem Wettbewerb die Ehre, auf der anderen Seite zu stehen – als Teil des Teams in der engeren Wahl und vor der Jury präsentierend.
Welchen Stellenwert haben die Cannes Lions aus Ihrer Sicht?
Kaitlyn Chang: Für mich sind die Cannes Lions eine grandiose Plattform, um ausgezeichnete Arbeiten unserer Branche zu würdigen und vor allem auch, um den kreativen, aufstrebenden Nachwuchs zu inspirieren. Ich bewundere das Festival dafür, dass es bei der Bewertung der Einreichungen nie den Blick auf die Aktualität der Arbeiten verliert – sei es beim Einsatz von Technologien oder der Ansprache von Themen wie z.B. Diversity. Außerdem wird ein immer größeres Augenmerk darauf gelegt, so genannte Scam Ads, also Fake-Einreichungen, zu identifizieren und nicht weiterkommen zu lassen.
Worauf freuen Sie sich in Zusammenhang mit Ihrer Jurytätigkeit in Cannes ganz besonders?
Kaitlyn Chang: Aufgrund der technischen Komplexität der meisten Innovationsprojekte sind die Innovation Lions der einzige Wettbewerb der Cannes Lions, bei dem die Shortlist einen Monat vor dem Festival veröffentlicht wird. Die in die engere Wahl gekommenen Teams müssen vor der Jury – live in Cannes – einen Pitch präsentieren. Zehn Minuten sind für die Präsentation jedes Teams reserviert, zehn Minuten für Fragen der Jury. Das finde ich besonders interessant und wichtig, da wir als Jury die Teams wirklich kennenlernen und wichtige Fragen stellen können, um die Leistung viel besser einschätzen zu können.
Wie werden Sie sich auf Ihre Jurytätigkeit vorbereiten?
Kaitlyn Chang: Wir haben in der vergangenen Woche schon die erste Online Pre-Judging-Round absolviert, und ich musste schon hunderte Videos der besten Innovation-Cases der ganzen Welt durchschauen. Das ist unbedingt notwendig, damit wir die Shortlist-Teams rechtzeitig ankündigen können, sodass sie sich für ihre Pitch-Präsentationen vorbereiten können. Die Cannes Lions ermutigen die Jury zusätzlich, sich im Vorhinein zu connecten – so kennen sich die zehn Innovation-Lions-Jury-Mitglieder bereits und können Diskussionen über die interessantesten Arbeiten führen.
Was muss eine Arbeit, die bei den Cannes Lions mit Gold, Silber oder Bronze ausgezeichnet wird, aus Ihrer Sicht mitbringen?
Kaitlyn Chang: Sie muss es schaffen, dass sich die Jury mit der Hand auf den Kopf schlägt und sagt: „Fuck, warum hab ich noch nicht daran gedacht?!“. Während des Jurierungs-Prozesses sieht man so viele Ideen aus der ganzen Welt. Es sind Ideen, bei denen die dahinter stehende Agentur sicher war, dass sie gewinnt – sonst würde sie nicht tausende Euro für die Einreichung in die Hand nehmen. Dementsprechend sind alle Ideen, die eingereicht werden, gute Ideen. Das bedeutet aber auch, dass du, um zu gewinnen, richtig herausstechen musst. Und das passiert meistens mit diesem „Ah fuck“-Faktor. Es gewinnen Ideen, die allen anderen einen „halben Schritt“ voraus sind und dabei aber so viel Sinn machen, dass man sich fragt, warum es das nicht schon gab. Und diese Ideen kommen meistens von einem sehr vorsichtigen, aufmerksamen Auge und einem bescheidenen Geist, der weiß, wie man für die Welt denkt, und nicht nur für sich selbst. Und sie kommen durch den Mut, etwas tatsächlich zu machen, während andere nur daran denken.
Haben Sie eigentlich Gefallen am Innovation-Lions-Wettbewerb gewonnen?
Kaitlyn Chang: Die Innovation Lions sind wahrscheinlich der Wettbewerb, bei dem Arbeiten am schwersten zu „faken“ sind. Eingereichte Projekte müssen nicht nur wirklich funktionieren, sondern auch „google-fähig“ sein. Das heißt, die Jury muss die tatsächliche Resonanz und Wirkung sofort sehen können. Die präsentierenden Teams müssen in der Lage sein, die grundlegenden Details der angewendeten Technologie zu erklären. Die Cannes Lions sind jedoch letztendlich ein Festival der Kreativität und kein Festival der „New Flashy Tech“. Das bedeutet, dass der Schwerpunkt darauf liegt, wie Ideen und Kreativität eine Schlüsselrolle bei der Nutzung von Technologie gespielt haben, um eine größere Wirkung zu erzielen. Das ist in dieser sich wandelnden Zeit besonders wichtig für führende Marken, die bestrebt sind, ihr Publikum auf relevante Weise anzusprechen.