Einen Gottesdienst, der von und mit künstlicher Intelligenz (KI) gestaltet wurde, war auf dem diesjährigen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg die große Sensation und lockte am meisten Publikum an. Gebete, Predigt, Segen und Lieder für die besinnliche Zusammenkunft in der Fürther Kirche St. Paul hatte kein Pfarrer, keine Pfarrerin verfasst, sondern waren ChatCPT entsprungen. Die passende Kirchenmusik wurde ebenfalls per KI komponiert.
Damit nicht genug. Die Stimme zu höheren Ehren kam wie gewohnt aus Lautsprechern, die Worte wurden allerdings von einem digitalen Sprachassistenten vorgetragen. Nicht einmal von der Kanzel feuerte ein Geistlicher aus Fleisch und Blut seine Heilsbotschaften dem Volk entgegen, stattdessen schwänzelte ein Avatar über eine im Altarraum installiert Leinwand. Dessen salbungsvolle Worte wurden zudem auf Bildschirmen in Form „kreisrunder Schwingungen“ visualisiert. Na gut, ein bisschen Psychodelisches, wenn schon die Transzendenz keine Wirkung mehr entfaltet.
Ausgedacht hat sich das Ganze ein Wiener. Der Theologe Jonas Simmerlein meinte im Vorfeld zu seinem Werk: „Alles, was man im Gottesdienst hört, stammt aus den neuronalen Netzwerken von ChatGPT. Wenn alles nach Plan läuft, ist kein Mensch zu sehen.“
Es steht schlecht um eine Glaubensgemeinschaft, wenn deren Vertreter stolz darauf ist, dass bei einer spirituellen Zusammenkunft auf Seiten der gottgegebenen Autorität „kein Mensch zu sehen“ ist. Denn in letzter Konsequenz ist das auch eine entmenschlichte Kirche. Statt Seelsorgern und Seelsorgerinnen, die Verantwortung für ihre Kirchengemeinde und deren Menschen tragen sollten, spenden dann Algorithmen Trost und Rat. Möglicherweise bleiben die Kirchen dann erst recht menschenleer.
Statt einer übergeordneten, unerklärlichen Macht plötzlich künstliche Intelligenz, statt der Welt der Wunder plötzlich ein Universum aus Null und Eins. Die ist nüchtern, Glaube etwas Übersinnliches. Glaube als religiöse Überzeugung basiert auf Vertrauen, auf ein Sich Verlassen in die Lehren und Aussagen von auserwählten Autoritäten.
Gottes Kinder und der Menschen Werkzeug scheint für gläubige Menschen kein passendes Rezept. All das lässt nur einen Schluss zu: Beten für die Kirche.