© Florence Stoiber

Alexander Leitner, Managing Director & CCO Goldbach Austria (an Azerion Company)

Alexander Leitner, Goldbach Austria: „Es ist wieder mehr Mut im Markt vorhanden.“

Alexander Leitner, Managing Director & CCO bei Goldbach Austria, verrät im Interview mit Internet World Austria, was sich unter dem neuen Eigentümer Azerion ändern wird und warum er durchaus hoffnungsfroh auf das Werbejahr 2025 blickt.

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Herr Leitner, beginnen wir mit einem Rückblick. Was fällt Ihnen zum Digitalwerbejahr 2024 ein?

Alexander Leitner: Aus der Sicht von Goldbach Austria war 2024 stark von der steigenden Nachfrage rund um das Thema Advanced TV geprägt, und zwar in allen Dimensionen. Dass das Thema Advanced TV so sehr in den Vordergrund gerückt wurde, lag auch an den Aktivtäten internationaler Player, wie vor allem Amazon, die ihre eigenen Angebote im B2C-Markt massiv gepusht und damit den allgemeinen Fokus darauf gerichtet haben. Genau so schöne Wachstums- und Entwicklungsraten wie im CTV haben wir aber auch im Segment DOOH gesehen, was vor allem durch die starke Nachfrage nach Programmatic-Umsetzungen angekurbelt wurde. Besonders spannend hier: Über unsere DCO (Dynamic Creative Optimization)-Technologie können wir die unterschiedlichsten Datenquellen an die ausgespielten Werbemittel anbinden und damit einen deutlichen Mehrwert erzielen, indem wir Relevanz für den Konsumenten schaffen und so die Werbewahrnehmung steigern, was wiederum dem Werbetreibenden zugutekommt. Diesbezüglich konnten wir etwa einen sehr erfolgreichen Case mit Magenta umsetzen, bei dem vor, während und nach dem Fußball-EM-Qualifikationsspiel Österreich gegen Belgien ausgewählte DOOH-Stelen über einen Liveticker aktuelle Spielstände sowie Mannschaftsaufstellungen, Kartenverfügbarkeiten und ähnliches angezeigt wurde. Für uns war diese Kampagne die „Mutter“ aller Cases zur DCO-Technik und wir konnten eindrucksvoll zeigen, was mit der Kombination aus Daten und Technik an digitaler Werbung eigentlich möglich ist.

Für die Umsetzung heimste Goldbach sogar einige Werbepreis ein, u.a. beim webAd des iab …

Leitner: Ja, wir haben mit dem Kunden auch Preise dafür gewonnen und in der Folge gemeinsam mit unseren Partnern weitere aufmerksamkeitsstarke Cases umgesetzt, z.B. mit Samsung und einer Anbindung an deren Warenwirtschaftssystem, wobei abhängig vom Warenstand einzelner Handymodelle unterschiedliche Sujets ausgespielt wurden. Wir freuen uns darauf, auch 2025 wieder schöne und auch mutige Cases umsetzen zu können, die wir dann auch gerne wieder bei den verschiedensten Awards einreichen.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Marktes generell?

Leitner: Generell haben wir eine starke Entwicklung im digitalen Bereich gesehen, hier vor allem getrieben durch DOOH und CTV. So konnte zum Beispiel die Streaming Plattform Pluto TV stark zulegen. Aber auch bei Online Bewegtbild und Display sehen wir weiteres Wachstumspotential. Ebenso weiterhin beliebt sind Content-getriebene Kampagnen im Bereich des Content Marketing, wo wir über eine eigene Commercial Publishing Abteilung bei Heute.at die vielfältigsten und kreative Umsetzungen anbieten können.

Gab es im vergangenen Jahr bestimmte Branchen, Ereignisse, saisonale Schwankungen oder was auch immer, das den Markt gebremst oder andererseits auch befeuert hat?

Leiter: In Bezug auf die Vermarktung von Heute.at haben sicherlich die aufmerksamkeitsstarken Fixplatzierungen, die dank der fortschreitenden Digitalisierung der werblichen Auftritte der Handelsbranche – hier vor allem durch Aktionsbewerbung – die digitalen Kanäle weiter befeuert. Insgesamt hat sich auch der Telekommunikationssektor sehr gut entwickelt. Was wir noch registrieren, ist, dass seitens vieler Kunden wieder mehr Mut vorhanden ist, auf neue Ideen und Innovationen zu setzen, statt sich – wie das in den vergangenen Jahren der Fall war – in erster Linie auf Standardformate zu konzentrieren. Es ist wieder Bewegung in den Markt gekommen und das tut wirklich gut, weil wir sowohl im DOOH-Sektor vielfältige Möglichkeiten für Sonderwerbeformen anbieten können, als auch im Online‑, Mobile- und CTV-Netzwerk sowie für Heute.at spannende Formate entwickeln.

Apropos heute.at, wie ist dazu der Stand der Dinge?

Leitner: Es hat zwar auf beiden Seiten Änderungen bei den Eigentumsverhältnissen gegeben, aber davon ist der Vermarktungsvertrag nicht betroffen, bis Ende dieses Jahres liegen die Vermarktungsrechte jedenfalls exklusiv bei uns.

40.000 Games für Publisher im Angebot

Was ändert sich für Goldbach Austria mit der Übernahme durch Azerion?

Leitner: Die Ansprechpartner der Muttergesellschaft – diese sind jetzt nicht mehr Schweizer, sondern Niederländer, denn Azerion ist ein europäischer Medien‑, Technologie- und Unterhaltungskonzern mit Hauptsitz in Amsterdam. Abgesehen davon, wird sich auch in unserem Portfolio einiges ändern, weil Azerion über eine sehr breite Produktpalette verfügt, die im Wesentlichen auf zwei Säulen steht. Auf der einen Seite stellt Azerion Publishern Content aus dem Gaming Bereich zur Verfügung, der wiederum von uns vermarktet werden kann. Azerion hat aktuell mehr als 40.000 Casual Games im Portfolio, es ergibt sich also eine Win-Win-Situation für alle. Publisher bekommen kostenlosen Content, erschließen zusätzliche Einnahmen durch Werbung und binden zudem die Userinnen und User an sich.

Und die zweite Säule?

Leitner: Das ist die Technologie. Azerion hat eine komplette Ad Tech Stack aufgebaut, verfügt also über all das, was man an „schönen Kürzeln“ so für die Digitalwerbung heute braucht: SSP, DSP, TTS usw. – auch das können wir zukünftig unseren Publishern zur Verfügung stellen. Das verändert natürlich unser Angebot gegenüber unseren Partnern noch einmal massiv. Bis jetzt haben wir freie Werbeflächen vermarktet, künftig können wir zusätzlich Content liefern und Technologie bereitstellen. Zudem bietet sich uns die Möglichkeit, Produkte aus dem Portfolio von Azerion zu übernehmen, wie das beispielsweise mit der Vermarktung von WeTransfer in Österreich bereits erfolgt ist. Zudem sind da noch die Themen Gaming und Digital Audio, außerdem ist Azerion sehr stark im Bereich Native Advertising vertreten. Wir werden uns daher sehr genau ansehen, was davon nach Österreich gebracht werden kann.

Das heißt, auf die Goldbach-Werbekunden kommt demnächst ein neues, breites Portfolio zu?

Leitner: Ja, unser bisheriges, bereits sehr breites Portfolio bleibt weiter bestehen und dieses Angebot bauen wir mit Produkten aus, die wir über Azerion nach Österreich holen. Unabhängig von der neuen Unternehmenskonstellation konnten wir zuletzt übrigens das Display-Segment mit dem Gewinn von „5 Minuten“ als Partner ausbauen. 5min.at ist ein junges, aufstrebendes Nachrichtenportal aus Kärnten, das laut Reppublika im vergangenen Dezember mehr als zwei Millionen Unique User erreicht hat.

Wie fällt Ihre Prognose für 2025 aus?

Leitner: Wir rechnen auch für 2025 wieder mit einem zweistelligen Prozent-Wachstum. Wie auch in den letzten Jahren wird das sehr stark getrieben sein von CTV, Bewegtbild, DOOH und Heute.at. Zusätzlich können wir nun auch auf neue Portfoliobereiche zugreifen.

Wie geht es im Wettbewerb der nationalen Anbieter gegenüber den Tech-Giganten weiter?

Leitner: Wir sind in Österreich sowohl als Unternehmen als auch als Markt massiv davon betroffen. Die Werbegelder, die aktuell in den klassischen Mediengattungen wegfallen, sei es aus Print oder dem linearen TV, landen ja nicht bei den Digital-Angeboten der österreichischen oder europäischen Medien, sondern fließen in Richtung internationale Big-Tech Anbieter ab. Positiv geschätzt, sind des 60 bis 70 Prozent, negativ betrachtet, wahrscheinlich bis zu 80 Prozent. Das gefährdet natürlich nicht nur die österreichische, sondern die gesamte europäische Medienvielfalt, weil die Finanzierung von Medien über Werbung unter diesen Bedingungen schwierig ist und immer schwieriger wird. Wir wissen alle, wie wichtig eine funktionierende Presse- und Medienlandschaft für eine funktionierende Demokratie ist. Wenn sich Medien über Werbe- und andere Abo-Erlöse nicht finanzieren können, sind sie auf staatliche Hilfen angewiesen und je höher die Notwendigkeit von staatlichen Förderungen ist, desto höher ist auch der Einfluss der Politik. Diese Situation sollten wir in der vertikalen Wertschöpfungskette alle am Schirm haben, sei es auf der Kundenseite, bei den Agenturen, sei es bei den Vermarktern und Medien. Wir alle müssen noch stärker dafür sorgen, dass jeder Euro, der aus der Klassik rausgeht, weitestgehend in Österreich und Europa bleibt. Gerade jetzt scheint ein guter Zeitpunkt dafür zu sein, dieses Vorhaben nicht nur zu diskutieren, sondern auch umzusetzen.

Wie sieht dazu die Strategie von Goldbach aus?

Leitner: Es so oft wie möglich anzusprechen, bei unseren Kunden und Agenturen aufs Tapet zu bringen und dafür der Werbewirtschaft natürlich entsprechend attraktive Produkte anzubieten. Dabei spreche ich nicht von einem möglichst niedrigen Preis, sondern von Innovationen – so etwa in der Kombination verschiedener Mediengattungen. Je breiter das Portfolio ist, das wir anbieten können, umso leichter fällt es uns, attraktive Angebote zu schnüren und eine Servicequalität an den Tag zu legen, die uns konkurrenzfähig macht. Auf der anderen Seite müssen aber auch die werbetreibenden Unternehmen und Agenturen erkennen, dass sie eine Verantwortung gegenüber dem österreichischen Markt haben, dass dieser Markt auch mit Werbegeldern gestützt wird.

Gibt es noch einen abschließenden Wunsch an die Branche?

Leitner: Mehr Verantwortung der Werbetreibenden für den heimischen Medienmarkt und weiterhin den Mut, neue und innovative Ideen und Konzepte umzusetzen.

Dieses Interview ist Teil einer Artikelserie rund um die „MOMENTUM Digitalspendingstudie 2024 & Prognose 2025”, die von der Agentur MOMENTUM WIEN in Kooperation mit dem iab austria erstellt wird. StudienteilnehmerInnen und Mitglieder des iab austria beziehen die Studie um 2.900 Euro (exkl. USt) per E‑Mail an  bei MOMENTUM Wien. Der reguläre Preis der „MOMENTUM Spendingstudie 2023 und Prognose 2024“ beträgt 3.900 Euro (exkl. USt).

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