AI – gekommen, um zu bleiben

Picture of Albert Sachs
Albert Sachs
Grob gerechnet haben wir mit Ende 2023 ein Jahr AI hinter uns. Eine gute Gelegenheit, um innenzuhalten, durchzuatmen und zu reflektieren. Nur, es wird uns kaum Zeit dazu bleiben.

Am 30. November 2022 hat OpenAI eine erste Demo-Version von ChatGPT veröffentlicht. Nach seiner Präsentation verbreitet sich der Chatbot rasend schnell, verzeichnete binnen fünf Tagen mehr als eine Million UserInnen. Im November 2022 kam die Website von ChatGPT auf knapp 153 Millionen Aufrufe. Im Mai 2023 waren es schon 1,9 Milliarden – der bisherige Höchststand. Ein Zuwachs von 124 Prozent – binnen eines halben Jahres. Auch wenn sich die Monatsrate mittlerweile bei rund 1,5 Milliarden Aufrufen (Quelle: SimilarWeb) eingependelt hat, noch immer atemberaubend. Aktuell verzeichne ChatGPT rund 100 Millionen UserInnen – pro Woche. Kaum jemand hatte diese Entwicklung vorhergesehen.

Das ChatGPT-Startdatum gilt in Digitalisierungsdebatten mittlerweile als Gemeinplatz und generell als die Geburtsstunde der generativen Artificial Intelligence, als Startschuss für die Durchdringung des Wirtschaftssektors mit derartigen Tools. Seit dem Launch von ChatGPT ist die AI nicht mehr nur auf spezielle Anwendungen beschränkt, sondern im Geschäftsleben so gut wie überall im Einsatz. Denn der OpenAI-Chatbot löste eine wahre Flut an weiteren Sprachmodellen, Bildgeneratoren und anderen AI-Anwendungen aus.

Zugute kam dieser Entwicklung maßgeblich die Tatsache, dass es sich bei den meisten AI-Modellen um verblüffend einfach anwendbare Lösungen für Jederfrau und Jedermann handelt. Während die komplexen Rechenprozesse im Hintergrunde ablaufen, braucht es von den UserInnen nicht viel mehr als ein paar schriftliche Eingaben in einem simplen Textfeld (Prompting). Schon entstehen erstaunliche Texte und/oder faszinierende Bilder.

Generative AI war neu. Diese Art der Anwendung war neue. Die anfängliche Faszination entwickelt sich zum Hype und führte bei den AI-Modellen schließlich zu einer Marktexplosion, einem kaum noch überschaubaren Angebot mit immer neuen Spielvarianten und Zusatzlösungen. Das Zukunftsthema AI ist heute längst in der Mitte der Gesellschaft abgekommen, hat sich zum vielfach unverzichtbaren Tool in den unterschiedlichsten Wirtschaftssegmenten entwickelt.

Das Jahr 2023 wird daher als eine Zeitenwende in die Geschichte eingehen, als ein Quantensprung für die Entwicklung und Verbreitung der generativen AI. Keine andere Technologie in der Geschichte hat sich derart rasant auf breiter Basis durchgesetzt – weder E‑Mail noch das Internet, weder die sozialen Medien noch die Digitale Transformation. Und schon gar nichts davor.

Der AI-Boom kam unerwartet. Vor allem wird er aber 2024 und wohl auch in der weiteren Zukunft unvermindert anhalten, die Entwicklung neuer Anwendungsmodelle sich eher beschleunigen als verlangsamen. Denn die AI hat sich vom anfänglichen Charakter des inhaltsleeren Buzzwortes rasch gelöst und mit konkreten Anwendungen überzeugt.

Eine solche Entwicklung ruft auch allerlei Blender und Mitschwimmer auf den Plan. So ist auch die Zahl der AI-ExpterInnen und ‑BeraterInnen geradezu explodiert. Nicht alle davon agieren seriös. Manche flattern aufgeregt mit Diplomen, die auf irgendwelchen Inseln und in fragwürdigen Kursen erworben wurden, herum. Versuchen mit neuen und hochtrabend klingenden Job-Bezeichnungen zu beeindrucken. Kaum wer mag mit Sicherheit die Spreu vom Weizen zu trennen. Gutes, eigenes Urteilsvermögen bei der Auswahl ist gefragt.

Wo ein neuer Markt geradezu explodiert, sind eben die Glücksritter und Scharlatane nicht weit. Gerade in einem Markt, der ohne große Hürden unbegrenzt jeder und jedem seine technischen Werkzeuge in die Hände legt. Jetzt texten, zeichnen und malen auch die Amateure, ließe sich ein Spruch von Entertainer Harald Juhnke zum Alkoholgenuss zu Silvester abwandeln.

Der AI-Boom hat zudem auch viele ungelöste Probleme und noch weitgehend antwortlose Fragen aufgeworfen. Der Spannungsbogen reicht vom Copyright über gesellschaftspolitische und legistische Diskussionen bis hin zu ethisch-moralischen Debatten. Die Politik versucht sich an Lösungen.

Und dennoch: Artificial Intelligence ist für unterschiedlichste Geschäftsprozesse unverzichtbar geworden. Sie wird in Kombination mit Datenbanken, dem Internet of Things und anderen Technologien Aufgaben, Arbeitsfelder und Prozesse neu definieren. Und sie wird weiter in unsere unterschiedlichsten Lebensbereiche vordringen.

Es gilt, aufmerksam und aufgeschlossen zu bleiben. Gerne auch skeptisch, ja sogar kritische. Es darf sich auch über einzelne Hervorbringungen von AI lustig gemacht werden, aber keineswegs über das Gesamtphänomen.

Denn die (generative) AI ist gekommen, um zu bleiben.

Subscribe
Notify of
guest
0 Kommentare
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Disclaimer: Bei Links auf dieser Seite, die mit einem * gekennzeichnet sind, handelt es sich um Affiliate Links bzw. Werbelinks. Wird der Link geklickt und ein Produkt gekauft, so erhält INTERNET WORLD Austria eine Provision.
Chris Budgen

„Creativity Inc.” von Ed Catmull

Von Ed Catmull, Mitbegründer (zusammen mit Steve Jobs und John Lasseter) der Pixar Animation Studios, kommt ein scharfsinniges Buch über Kreativität in der Wirtschaft.